Maskenspiel der Genien by Fritz von Herzmanovsky-Orlando

Autor:Fritz von Herzmanovsky-Orlando [Herzmanovsky-Orlando, Fritz von]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Langen Müller
veröffentlicht: 1957-12-31T23:00:00+00:00

XI

Es war ein sonnengleißender Morgen, an dem Pizzicolli seine Fahrt antrat. Lämmerwölkchen verzierten wie weiße Damastblumen das Flaggentuch des Himmels über dem purpurblauen, donnernden Meer, das in seiner ewig gleichbleibenden Bewegung einem reich geäderten Marmor glich. Da und dort tauchten Delphine auf, boten für kurze Augenblicke die plumpe Anmut ihrer silbernen Leiber dar, dralle Bauerndirnen aus dem Garten Poseidons. Man mochte an Sennerinnen in Wadelstutzen denken, wie sie etwa zur Zeit des bayerischen Vorstoßes nach Hellas ein entgegenkommender Künstler zu Ehren seines Königs hätte schaffen können, um einen gipsernen Olymp damit zu dekorieren.

Das Dampfboot, das Cyriak benützte, war ein faszinierendes Gebilde, das sich bald chinesisch, bald biedermeierisch und bald wie das Kind eines späten, maritim verschnörkelten venetianischen Barocks ausnahm. Und erst die Maschine! Aus spiegelblankem Kupfer und spangrün gestrichenem Eisen in den Formen einer mißverstandenen Gotik, stapfte und hupfte sie behaglich durch die Fluten und roch dabei hervorragend nach Makkaroni in heißem Öl oder, wenn der Wind sich drehte, wie ein Wurstkessel mit munter tanzenden Frankfurtern darin. Cyriak versank in süßen, wehmütigen Kindheitserinnerungen, die ihm fast die Brust sprengten. Aus dieser Geruchssymphonie stieg ihm Graz entgegen und Wien, ja sogar ein salziges Brünn – alles Fleisch vom gleichen Fleisch und eng mit der Levante verbunden, alles dazu bestimmt, österreichisch zu sein, dem großen Reich der Waage von Aphroditens Gnade anzugehören, und nur aus Nachlässigkeit nie von der rechtmäßigen Verwaltung übernommen. Freilich, an manchem Wendepunkt der Geschichte hatten auch andere und finstere Mächte dahin gewirkt, daß Österreich die ihm zugedachte Ausbreitung nicht fände. Im dritten Kreuzzug war es Richard Löwenherz, der die Babenberger verhinderte, bis nach Indien vorzustoßen und leichte Heurigenstimmung über das Brahminentum zu bringen (um wieviel graziöser wären doch dann die Bajaderen geworden) … Ein anderes Mal durchkreuzte Frankreich die Pläne Karls V., Afrika und den Orient zu nehmen. Dann wieder war es die Hand eines Butler, der Wallenstein ermordete und so den Weg, den dieser große Staatsmann für Österreich bahnen wollte, mit dem Gerümpel der Dummheit verstellte. Oder es sorgte Ludwig XIV. dafür, daß nach dem Siege über die Türken dem Kaiser wenigstens der Weg nach Byzanz abgeschnitten wurde. Und während des ganzen Rokoko ließ es sich England angelegen sein, daß die weißröckigen Habsburger Grenadiere in Persien und Indien nicht Fuß fassen konnten. Aber das alles sind im Grunde nur kurzfristige menschliche Verschleppungsversuche. Eines Tages wird die azuräugige Göttin, die es sich leisten kann, das Treiben bezopfter, beblechter, perückener oder waterproofener Wichte lächelnd mit anzusehen, ihren doppelköpfigen Wappenaar für alle Zeiten ins Gleichgewicht der Waage betten.

Cyriak genoß die Fahrt mit allen Sinnen und war beinahe enttäuscht, als das Fahrzeug zu den sanften Klängen einer Gavotte in den kleinen Hafen von Cerigotto einlief und sich neben schaukelnden Tartanen mit knarrendem Takelwerk am Molo vertäute.

In Cerigotto, einer von der tarockanischen Küste etwa 25 Seemeilen entfernten und Cythera nahe vorgelagerten Insel, gab es eine Art Quarantäne, eine Siebung der Reisenden, die unbestimmte Zeit in Anspruch nahm. Man wollte sich überzeugen, ob die Neuankömmlinge den Stil-und Geschmacksforderungen Cytheras wenigstens halbwegs entsprächen und

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